Reformen, neue Begriffe und viele Fragezeichen rund um den Datenschutz
Was soll der Datenschutz eigentlich noch alles können?
Der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung enthält an mehreren Stellen Hinweise auf geplante Änderungen im Bereich Datenschutz, die auch Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, der Eingliederungshilfe sowie ärztliche Praxen, Pflege- und Therapiedienste betreffen können.
Besonders relevant ist die Passage zur Entbürokratisierung (Zeile 1904): Hier wird ein „Sofortprogramm zum Bürokratierückbau“ angekündigt, bei dem unter anderem die Bestellpflichten für Betriebsbeauftragte auf den Prüfstand kommen sollen. Datenschutzbeauftragte werden in diesem Zusammenhang zwar nicht genannt, die Pflicht zur Benennung nach § 38 BDSG bleibt laut Vertrag aber unangetastet. Für alle genannten Bereiche ist das ein wichtiges Signal – die Funktion bleibt erhalten, was angesichts der Sensibilität der dort verarbeiteten Daten auch dringend nötig ist.
Ein zentraler Punkt findet sich in Zeile 2094: Die Bundesregierung plant, die Datenschutzaufsicht auf Bundesebene neu zu organisieren. Die Bundesbeauftragte soll künftig als „Bundesbeauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit“ agieren. Die Umbenennung deutet auf einen erweiterten Fokus hin – weg vom reinen Schutz, hin zur aktiven Nutzung von Daten. Für medizinische und pflegerische Dienste, in denen täglich hochsensible Gesundheitsdaten verarbeitet werden, ist das ein zweischneidiges Schwert. Eine stärkere Betonung der Datennutzung darf nicht dazu führen, dass Schutzprinzipien verwässert werden. Gerade in der Pflege oder bei Physiotherapieanwendungen sind Vertrauen und Vertraulichkeit keine Option, sondern Grundvoraussetzung.
Ein weiterer Punkt ist die geplante gesetzliche Verankerung der Datenschutzkonferenz (Zeile 2100). Das Ziel: einheitlichere Standards. Für Einrichtungen, die sich oft mit widersprüchlichen Vorgaben unterschiedlicher Landesdatenschutzbehörden konfrontiert sehen, wäre das ein echter Fortschritt. Einheitliche Vorgaben könnten helfen, Rechtsunsicherheit zu verringern – vorausgesetzt, diese sind praxistauglich und berücksichtigen die spezifischen Anforderungen von Sozial- und Gesundheitsdiensten.
Die Koalition spricht außerdem von einer „Kultur der Datennutzung und des Datenteilens“ (Zeile 2238). Treuhandmodelle, Datenökosysteme und ein „Datengesetzbuch“ sollen helfen, diese Kultur zu etablieren. Doch solange keine konkreten Vorgaben vorliegen, bleiben solche Schlagworte für viele in der Praxis wenig greifbar. Ärztinnen, Pflegekräfte oder Fachkräfte in der Jugendhilfe brauchen keine visionären Datenräume, sondern klare Handlungsanleitungen, wie sie datenschutzkonform dokumentieren, austauschen und speichern können.
In Zeile 2248 wird schließlich eine umfassende Reform des Datenschutzes angekündigt – jedoch ohne Details. Diese Leerstelle ist bemerkenswert.
Wer reformieren will, sollte auch sagen, wie. Solange das nicht passiert, bleibt unklar, ob es künftig zu mehr Klarheit oder eher zu noch mehr Verwirrung kommen wird. Einrichtungen und Dienste aller genannten Bereiche tun also gut daran, ihre internen Prozesse weiterhin sorgfältig zu dokumentieren, Datenschutzbeauftragte ernst zu nehmen und sich regelmäßig zu schulen – denn auch ohne gesetzliche Änderungen ist der Datenschutz in der Praxis oft komplex genug.